The Guilty (2021) | Film, Trailer, Kritik (2024)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Die Last der Schuld

In den Wäldern um Los Angeles wütet ein massives Feuer. Die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand, was die Notrufzentrale der Polizei beschäftigt hält. Zu den Beamten, die den Telefondienst leisten, gehört auch der Polizist Joe Bayler (Jake Gyllenhaal). Schnell wird klar, dass dieser nicht freiwillig da ist. Mit gereiztem Tonfall weist er einen offensichtlichen Drogensüchtigen zurecht, der anruft, weil er sich im Delirium verletzt hat. Oder er lässt einen anderen Mann schmoren, der sich von einer Prostituierten hat ausrauben lassen und sich nicht mehr aus dem Auto traut. Joe macht keinen Hehl daraus, dass ihn diese Arbeit langweilt und er sich für bedeutendere Aufgaben berufen fühlt. Doch offenbar war seine Versetzung hierher Teil einer Strafmaßnahme. Läuft das Gerichtsverfahren, das für den nächsten Tag angesetzt ist, zu seinen Gunsten ab, wird er in seine ursprüngliche Funktion als Ermittler zurückkehren können.

Kurz vor Schichtende erreicht Joe ein ernster Anruf, der darauf hindeutet, dass die Frau am Telefon entführt worden ist. Um Emily (Riley Keough) zu retten, setzt er fortan alle Hebel in Bewegung, indem er verschiedene Abteilungen der Polizei involviert, seinen Ex-Partner um Hilfe bittet und immer weitere Einzelheiten zum Aufenthaltsort der Frau sammelt – alles von seiner Position hinter dem Computerbildschirm und vom Telefon aus. Die Verbissenheit, mit der er ans Werk geht, könnte man als echte Fürsorge ansehen, doch schwingt in Joes Art immer auch etwas Irritierendes mit.

Von Anfang an ist die Stimmung in Antoine Fuquas The Guilty angespannt. Joe schnauzt seine Kollegen ununterbrochen an und lässt seine schlechte Laune an ihnen aus. Jeden Moment könnte er in die Luft gehen, glaubt man. Die Ausbrüche bleiben schließlich auch nicht aus, sind mal mehr, mal weniger heftig. Sympathisch kann man Joe nicht nennen. Vielmehr löst er in einem ein Gefühl von Unwohlsein, Ungeduld und Wut aus. Bis zuletzt wird man auch nicht mit ihm mitfühlen können. Seine selbstgerechte Art droht seinen klar ersichtlichen Drang, helfen zu wollen, in den Schatten zu stellen. Dem US-amerikanischen Regisseur, der sich bereits mit mehreren Action-Thrillern wie Training Day (2002), Shooter (2007) oder The Equalizer (2014) einen Namen gemacht hat, gelingt eine vielschichtige, ungeschönte Zeichnung dieser Figur, auf der die ganze Handlung und Emotionsebene des Films beruht.

Zum zweiten Mal nach Southpaw (2015) arbeitet er mit Jake Gyllenhaal als Hauptdarsteller. Gyllenhaal verkörpert in der Neuverfilmung von The Guilty (2018) des schwedisch-dänischen Regisseurs Gustav Möller seine Rolle mit einer eindringlichen körperlichen Präsenz. Wut und Verzweiflung wechseln sich in seinem Gesicht ab, seine Muskeln sind angespannt, immer bereit, ihn sofort aufspringen zu lassen. Erst nach und nach eröffnet sich einem der ganze Druck, den Joe auf seinen Schultern spüren muss und der bei weitem nicht nur mit der Rettung der Frau am Telefon zusammenhängt. Man spekuliert, ob er wegen des draußen wütenden Brands ein Trauma erlitten hat und sein Asthma ein Andenken daran ist. Was hat es mit der abweisenden Haltung seiner Frau auf sich, die offenbar nicht zur bevorstehenden Gerichtsverhandlung kommen will? Was will die Journalistin, die ihn mehrfach anruft und auf den Prozess anspricht?

Der Titel des Films ist emblematisch zu verstehen. Wer in dieser Geschichte wirklich schuldig ist und wer nicht, ist nicht so einfach auseinanderzuhalten, wie es zu Beginn suggeriert wird. Konzepte wie Wahrheit und Wahrnehmung kommen hier durcheinander. Gleichzeitig bietet das Drama eine nervenaufreibende Auseinandersetzung mit Themen wie Schuld und Sühne, die der Intensität eines Friedrich Dürrenmatt sehr ähnlich kommt. Der Zuschauer wird gezwungen, Position zu beziehen, sich ins Spiel zu bringen, kann nicht darauf zählen, dass man ihm die Lösung für einen moralischen Konflikt abnimmt.

Seine Kraft entwickelt der Film über den dramaturgischen Gehalt hinaus durch eine präzise und souveräne Form. Die Einheit von Raum und Zeit ermöglicht eine Konzentration auf das Wesentliche, bedarf nur weniger technischer Kniffe. Das in Schwarz- und Blautöne getauchte Bild kann gewissermaßen als Symbol der seelischen Verfassung der Hauptfigur angesehen werden. Das Gleiche gilt für die Tonebene, die mit genauso reduzierten, aber effektiven Mitteln arbeitet. Geprägt von Pfeifen, Klingeltönen, Geräuschen, die durch die Telefonleitung gefiltert werden, und verschiedenen Stimmen, treibt sie Joes Handeln an, füllt seinen Kopf, macht ihn rasend und ermöglicht ihm erst die nötige Selbstreflexion, als es endlich ruhig wird.

„The Guilty“ spielt an einem einzigen Morgen in einer Notrufzentrale. Der diensthabende Polizist Joe Bayler (Jake Gyllenhaal) versucht, eine Anruferin in Lebensgefahr zu retten. Doch bald findet er heraus, dass der Schein trügt und die Wahrheit der einzige Ausweg ist.

The Guilty (2021) | Film, Trailer, Kritik (2024)
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